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(Un-)fair: Ist Erben gerecht?

Veröffentlicht am 22. Oktober 2024

Geld und (gefühlte) Gerechtigkeit: Es gibt Themen, die sorgen immer wieder für große Diskussionen – und genau die schauen wir uns in unserer Serie (Un-)fair einmal genauer an: Über was sprechen wir hier eigentlich, wie sieht’s mit der Fairness aus – und geht das nicht besser? Los geht's mit dem ersten Dauerbrenner: Erben. 

Erben: Ein paar Fakten 

Kritische Gespräche über das Erben werden schnell als Neiddebatte abgetan, aber steckt da wirklich nicht mehr dahinter? Starten wir mit den wichtigsten Fakten:

Ob Bargeld, Gegenstände, Immobilien, Betriebsvermögen, Aktiendepots, Bausparversicherungen, Schließfächer oder auch Schulden – die Liste, was in Deutschland Teil der Vermögenswerte oder eben Verbindlichkeiten sein kann, ist lang. 

Im Jahr 2023 wurden 121,5 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt. Das ist zumindest die Summe, die von der Finanzverwaltung erfasst wurde. Dazu kommen die Erbschaften und Schenkungen, die unter die Freibeträge fallen und die deshalb nur geschätzt werden können. Bezieht man diese Erbschaften mit ein, geht man von insgesamt rund 400 Milliarden Euro pro Jahr aus, die in Deutschland vererbt und verschenkt werden. 

Geerbt hat in den letzten 15 Jahren rund jede*r zehnte Deutsche etwas. Wie viel, ist dabei allerdings sehr ungleich verteilt. 10 Prozent der Menschen, die etwas erben, erhalten etwa die Hälfte von dem, was insgesamt vererbt wird. In Ostdeutschland erben grundsätzlich seltener sowie weniger Menschen als in Westdeutschland. Und rund die Hälfte der Deutschen erbt gar nichts. 

Die Freibeträge für die Erbschaftssteuer liegen bei Ehepartner*innen bei 500.000 Euro, bei Kindern sind es 400.000 Euro. Außerdem gibt es noch diverse Steuerbefreiungen. Zum Beispiel auf Betriebsvermögen, wenn sichergestellt ist, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Im Jahr 2023 lagen die Einnahmen durch die Erbschafts-und Schenkungssteuer bei rund 11 Milliarden Euro. 

Fair: Deshalb kann Erben als gefühlt gerecht bewertet werden

Vererbt wird, was irgendwann einmal als Vermögen aufgebaut wurde. Das kann Jahre des Verzichts und harter Erwerbsarbeit bedeuten. Eine Erbschaft aufzubauen, ist in vielen Fällen also eine wirtschaftliche Lebensleistung, die man bewusst erbracht hat, um am Ende des Lebens ein kleines oder großes Vermögen weitergeben zu können.

Zudem kann ein Erbe auch ein Weg sein, um Vermögen in einem gewissen Rahmen umzuverteilen, denn für die Erb*innen kann das neue, ungeahnte Möglichkeiten eröffnen – von mehr finanzieller Sicherheit bis zu einer Immobilie, die damit gekauft werden kann. 

Unfair! Darum führt Erben zu einer größeren Ungleichheit 

Zu Erben ist eine schöne Sache, aber leider nur für Wenige. Der Großteil des vererbten oder geschenkten Vermögens in Deutschland geht an Menschen, die sowieso bereits viel Vermögen haben. Zudem werden 60 Prozent aller Vermögen in Deutschland durch Schenkung und Erbschaft erzielt, nicht durch Erwerbsarbeit. Das zeigt, dass es schwerer ist, durch eigene Leistung ein Vermögen aufzubauen, denn hart zu arbeiten bedeutet nicht automatisch viel Geld zu verdienen. So verfestigt sich Vermögen in einer bestimmten Bevölkerungsschicht: In der Wohlhabenden. 

Auch der Blick auf die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland verdeutlicht: Mit Leistung alleine lässt sich die Fairness klären. Denn historisch betrachtet konnten sich Menschen in der DDR systembedingt weniger Vermögen aufbauen, weniger geleistet haben sie deshalb aber sicherlich nicht. 

Zusätzlich werden Erbschaften in Deutschland geringer versteuert als das Gehalt durch Erwerbsarbeit, es gibt sehr hohe Freibeträge und einige Steuerschlupflöcher – das sieht man auch an dem verhältnismäßig kleinen Betrag, den der Staat durch die Erbschaftssteuer einnimmt. Auch wird die Steuerlast sogar geringer, je mehr man erbt – so profitieren die vermögendsten Menschen einmal mehr. Die Freibeträge gelten nur für Lebenspartner*innen und Kinder, das wird nicht mehr allen Familienkonstellationen gerecht. Erben begünstigt damit auch bestimmte Lebensmodelle auf Kosten anderer. 

Und jetzt – was folgt daraus?

Erben ist selbstverständlich rechtens, aber ist es auch fair? Individuell betrachtet, ist es natürlich fair, wenn etwa Eltern sich ein Eigenheim erwerben und das später an ihre Kinder vererben. Schaut man aber auf das große Ganze, also wo am meisten vererbt wird und wer am meisten erbt, kann man die Fairness durchaus hinterfragen. Denn am Ende entscheidet die Lebenslotterie deutlich stärker über den finanziellen Wohlstand und die Lebenschancen als die eigene Leistung. Das bedeutet, dass Erben die Ungleichheit in Deutschland verschärft. 

Zu diskutieren, wie man das Thema Erben anders denken und gestalten kann, ist durchaus lohnenswert. Ob über Steuern oder beispielsweise die Idee eines Grunderbes, mit dem jungen Menschen über 18 Jahren einmalig eine größere Summe Geld erhalten, um damit ihr Leben zu gestalten, bleibt zu diskutieren. Fest steht: Es gäbe viele Ansätze, um mehr Fairness ins Erben zu bringen.