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(Un-)fair: Wie sinnvoll ist die Schuldenbremse?

Veröffentlicht am 19. November 2024

Geld und (gefühlte) Gerechtigkeit: Es gibt Themen, die sorgen immer wieder für große Diskussionen – und genau die schauen wir uns in unserer Serie (Un-)fair einmal genauer an: Über was sprechen wir hier eigentlich, wie sieht’s mit der Fairness aus – und geht das nicht besser? Dieses Mal: Die Schuldenbremse.

Schuldenbremse: Ein paar Fakten

Viele Staaten machen Schulden – auch Deutschland. Aktuell liegt die Staatsverschuldung bei rund 2,5 Billiarden Euro. Das entspricht etwa 63 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit sind wir auf Platz 12 in der EU.

Die Schuldenbremse gibt es seit dem Jahr 2009, durchgesetzt hatte sie damals Angela Merkel als Kanzlerin in der großen Koalition. Interessanterweise enthielt sich damals die FDP, die heute so vehement für die Einhaltung der Schuldenbremse ist. Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz verankert und ein Instrument, um eine weitere Verschuldung des Staates in Grenzen zu halten. Auch müssen mit ihr die Schulden in einem festgelegten Zeitraum zurückgezahlt werden. Konkret heißt das, die Bundesregierung darf sich jährlich nur bis zur Höhe von maximal 0,35 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt neu verschulden. Geht die Konjunktur runter, gibt es zudem die Möglichkeit, mehr Schulden aufzunehmen und auch besondere Notsituationen, wie etwa eine Naturkatastrophe lassen eine Ausnahmen zu. Wichtig ist für die Ausnahme, dass der Staat keine Verantwortung für die Notsituation trägt. So wurde etwa in den Corona-Jahren 2020 bis 2022 die Schuldenbremse ausgesetzt. 

Die große Frage, die sich immer wieder auftut, ist: Ist die Schuldenbremse flexibel genug, um dringend notwendige Investitionen machen zu können oder müsste sie reformiert, eventuell gar abgeschafft werden? Über die Antwort auf diese Frage wird in der Politik, aber auch unter Ökonom*innen immer wieder heftig debattiert. Hier kommen die wichtigsten Pro und Contra Argumente zur Schuldenbremse:

Fair: Wir brauchen eine Schuldenbremse

Eines der am häufigsten genannten Argumente für den Erhalt der Schuldenbremse ist, dass der Staat die Verantwortung trägt, erst einmal die Mittel zu nutzen, die er hat. Also etwa Einsparpotenzial zu identifizieren und die Möglichkeit auszuschöpfen, bevor er sich weiter verschuldet. Das heißt, der Staat sollte erstmal Ausgaben kürzen und die Steuereinnahmen erhöhen, um mehr Geld zur Verfügung zu haben. Wo gekürzt werden kann und wie man am schnellsten zu mehr Steuereinnahmen kommt, dazu gibt es unterschiedlichste Ansichten – besonders laut waren zuletzt vor allem jene Stimmen, die Einsparungen beim Sozialen fordern.

Befürworter*innen der Schuldenbremse sehen sie auch als Instrument für mehr Generationengerechtigkeit. Denn eine höhere Verschuldung gehe zu Lasten junger Menschen da Schulden, die heute gemacht werden, nun einmal in Zukunft zurückgezahlt werden müssen.

Ein drittes großes Argument für die Schuldenbremse ist, dass ein stabiler Haushalt den Staat widerstandsfähig macht, was uns bei möglichen künftigen Krisen zu Gute kommen würde.

Unfair: Die Schuldenbremse bremst Deutschland aus

Die Gegenseite argumentiert wiederum, dass das Einsparpotenzial einfach nicht hoch genug ist, um jetzt wirklich wichtige Investitionen machen zu können. Auch ein Mehr an Steuereinnahmen muss erstmal aufgebaut werden, bis das Geld dann zur Verfügung steht. 

Ein wichtiger Knackpunkt bei der Schuldenbremse ist zudem, dass sie nicht zwischen Konsumausgaben und Investitionsausgaben unterscheidet. Das wäre aber notwendig, um einerseits die Konsumausgaben zu beschränken, aber wichtige Investitionen machen zu können.

Dem Argument, dass eine Schuldenbremse fair für die nächsten Generationen ist, kann man entgegensetzen, dass gerade junge Menschen darauf angewiesen sind, dass jetzt schnell massive Investitionen, etwa in die Infrastruktur, ins Klima, in Bildung, in Sicherheit oder den Gesundheitssektor gemacht werden – denn in all diesen Bereichen wurden Investitionen in den letzten Jahren verschleppt. Zusätzlich können uns als Gesellschaft nicht gemachte Investitionen in Zukunft noch teurer zu stehen kommen als es jetzt der Fall wäre – etwa bei der Klimakrise.

Schaut man auf das Argument zur Widerstandsfähigkeit eines ausgeglichenen Haushaltes durch die Schuldenbremse in Krisenzeiten, könnte man einerseits entgegen, dass wir gerade in einer Zeit der fortlaufenden Krisen leben, die auch nicht zeitlich abgeschlossen sind. Eine solche Situation berücksichtigt die Schuldenbremse aber nicht, auch deshalb könnte eine Reform notwendig sein. Zudem sind wir aktuell noch die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, kommen aber wirtschaftlich gerade nicht aus der Stagnation heraus. Das liegt auch daran, dass Unternehmen zu wenig Planungssicherheit haben. Diese fehlende Planungssicherheit entsteht durch viele Faktoren, zwei davon sind Unsicherheiten wegen zu hoher Energiekosten oder Fragen zu möglichen Förderungen für den notwendigen Umbau der Industrie. 

Und jetzt - was machen wir damit?

Es gibt also gute Argumente für und gegen die Schuldenbremse. Grundsätzlich spricht jedoch vor allem viel dafür, dass sie eine Reform braucht – in ihrem Aufbau und beim gesetzten finanziellen Rahmen. Denn aktuell wird mehr als deutlich, wie verschleppte Investitionen in Deutschland konkreten Schaden anrichten, etwa bei der Infrastruktur, der Bildung, Sicherheit oder dem Gesundheitssektor. Zeitgleich braucht es weiter klare Regeln dafür, wie kreditfinanziertes Kapital verwendet werden kann und soll. 

Denn ja, es gibt sicherlich Einsparpotenzial beim Haushalt, aber wie hoch das tatsächlich ist und wann das Geld zur Verfügung steht, ist unklar. Zeitgleich scheinen immer mehr Bereiche des Lebens und der Wirtschaft keinen Aufschub mehr zu dulden, was nachhaltige Investitionen betrifft. Ein Plädoyer für eine Reform nimmt auch nicht automatisch die Politik aus der Pflicht, vorhandene Einsparpotenziale zu nutzen. Denn Verantwortung kann übernommen werden, indem man das eine tut und das andere nicht lässt. Wichtig wäre dabei, auch die gesellschaftliche Stabilität nicht weiter zu gefährden, indem man die Sparpolitik vor allem auf dem Rücken der finanziell Schwächsten austrägt.

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